[Interview] Während Corona in Seoul

[Interview] Während Corona in Seoul

Während Corona in Südkorea? Ist das überhaupt möglich? und wie war das Leben zu Beginn des Ausbruchs in Südkorea?

Diese und weitere Fragen beantwortete uns Ida, Studentin der FU Berlin, in einem Interview zu ihren Erfahrung in Seoul während der Corona-Pandemie.

IdaⓒIda

-Warum warst du zu dieser Zeit in Südkorea?

Ich hatte vor bei einem Startup in Korea, ein 1-monatiges Praktikum zu machen. Noch während meines Praktikums wurde mein Rückflug gecancelt. Wann ich genau zurückfliegen würde, war da noch nicht ganz klar und es zog sich immer länger hin. Dann dachte ich mir, ich kann die Zeit ja hier nutzen. In der Folge habe ich mich dann bei verschiedenen Stiftungen beworben, und die KAS (Konrad-Adenauer-Stiftung) hat mich dann genommen. Zum glück habe ich ein Emergency-Visum erhalten. 

-Was ist ein Emergency-Visum?

Mein Touristen-Visum ging nur drei Monate und als dann mein Visum ablief, bin ich zum „Visumsbüro“ und online konnte ich dann mein Visum verlängern lassen. Das war wegen Corona einmalig in diesem Zeitraum möglich, wenn dein Flug gecancelt worden war und du nachweisen könntest, dass du noch keinen Rückflug erhalten hast. So konnte ich dann auch das Praktikum mehr als einen Monat lang in der KAS machen. 

-Wie hast du gewohnt in der Zeit?

Während des ersten Praktikums habe ich einer größeren WG gewohnt und ich war auf einem Zimmer mit drei anderen Mädchen. Es war ein großes Haus, in dem es mehrere Zimmer gab mit recht vielen internationalen Mitbewohnern. Danach bin ich mehrmals umgezogen, zu Freunden oder in ein Airbnb.

-Wie hast du dich gefühlt, während du in Südkorea warst? Hattest du Angst vor Corona? 

Also, als ich Ende Februar angekommen bin, war Corona bereits in Korea ausgebrochen. Meine Fluggesellschaft meinte auch, ich solle eine Maske im Flugzeug tragen. Zum Glück hatte ich noch eine Maske aus Korea von meiner letzten Koreareise.

Also in Korea selbst war alles schon klar geregelt, wie man sich zu verhalten hatte und wann und wo man Masken tragen musste wie z.B. in Bus und Bahn. In dem Zeitraum, in dem ich da war, haben sich die Regeln natürlich auch ab und zu verändert, aber die meisten Menschen haben sich einfach an die Regeln gehalten und haben in den öffentlichen Bereich Masken getragen. Und ich habe das natürlich auch gemacht. Angst hatte ich keine.

In der Corona-Zeit in Seoul ⓒIda

-In Deutschland gab es über mehrere Wochen Ausgangsbeschränkungen und in Berlin waren zu Beginn die Straßen und die öffentlichen Verkehrsmittel wie leergefegt. Wie war es in Seoul? 

In Korea gab es nie einen kompletten Lockdown wie z.B. in Italien oder Frankreich. Nur in Daegu, wo es einen großen Ausbruch gab. Im Rest von Korea hatte man versucht, die Lage anders unter Kontrolle zu bekommen, wie durch Masken- und Desinfektionspflicht zum Beispiel.

Und alle Bahnen und Busse wurden regelmäßig desinfiziert. Natürlich gab es Maßnahmen. So sollte man von Zuhause arbeiten und alle Schulen wurden geschlossen. Für die Unis wurden online Kurse für das ganze Semester eingerichtet.

-Wir in Deutschland hatten vor einigen Wochen einen großen Zwischenfall in einer großen Schlachterei. Wie ging man mit der Situation in großen Unternehmen um?

Bei großen Unternehmen wie Samsung oder Hyundai war es so, dass die Angestellten viel striktere Regeln zu befolgen hatten als in anderen kleineren Firmen. So durften sie nicht in Bars, Clubs oder Freizeitparks gehen. Auch das gemeinschaftliche Essen und Trinken mit Kollegen, was in Südkorea äußerst beliebt ist, wurde verboten.

Man hat all das Verboten, weil man nicht wollte, dass es innerhalb des Unternehmens genau solch einen Ausbruch gibt. Aber das haben die Firmen unabhängig von den Vorgaben der Regierung gemacht. Es gab natürlich auch ähnliche Zwischenfälle, wie zum Beispiel bei einem bekannten Lieferservice und in einem Club, aber alles war immer schnell wieder unter Kontrolle.

-Also waren die Straßen, Busse und U-Bahn zum Feierabend wie gewohnt voll?

Ja, genau. Natürlich nicht genauso voll, da manche Firmen „home office“ gemacht haben. Trotzdem hat sich das nicht verbreitet. Es gab natürlich immer mal wieder Zwischenfälle aber kein Vergleich zu Europa. Vielleicht mal so 50 Menschen, aber die hatte man dann schnell finden können, um einen größeren Ausbruch zu vermeiden. 

-Wieso glaubst du, hat das so gut funktioniert?

Meiner Meinung nach liegt der Grund darin, dass Korea und viele Länder in Asien, den Virus schnell unter Kontrolle bringen konnten, an der kollektivistischen Natur der Kulturen. So denkt man als erstes an die Gesellschaft und dann an sich und nicht umgekehrt. Deswegen halten sich alle an diese Regeln und keiner protestiert gegen die Einschränkung, die der Staat in bestimmten Bereichen macht. Da man die anderen schützen möchte, werden persönliche Einschränkungen in Kauf genommen. Somit konnte die Regierung die Situation gut kontrollieren und den Virus schnell einschränken. In individualistischen Kulturen hingegen legt man größeren Wert auf die eigene Freiheit. 


-In Deutschland gab es eine große Debatte über eine Tracing- und Tracking App.

Die neu eingetroffen waren, mussten diese App herunterladen, damit sie auffindbar waren. Ich persönlich war nicht davon betroffen, weil ich schon in Korea war, als die App eingeführt wurde. Außerdem mussten Neuankömmlinge nach der Ankunft auch zwei Wochen in Quarantäne. Ob man dann die zwei Wochen in Quarantäne war, können die Behörden über die App überprüfen und im Notfall diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten, ein tracing Armband verpassen.

In Korea gab es natürlich auch Bedenken bezüglich der Einschränkung der persönlichen Freiheiten, aber es gab nie große Proteste. Man war sich ja bewusst, dass es für das Allgemeinwohl ist und damit sich der Virus nicht verbreitet. Man hat auch in der gezwungenen Quarantäne ein Verpflegungspaket von der Regierung bekommen. 

Seoul

-Inwiefern hat sich Corona auf deinen Alltag ausgewirkt?

Also, Corona war ja bereits ausgebrochen, als ich dort angekommen war. Maske tragen kannte ich schon von vorrangegangen Reisen. Es war für mich daher auch nicht so schlimm, sie zu tragen. Eine Freundin von mir hatte vorgehabt, in Korea viele Museen zu besuchen. Nur waren dann halt fast alle geschlossen, oder man musste sich vorab online anmelden. Ich persönlich war jetzt aber nicht beeinträchtigt. 

Aber ich musste leider auch mehrmals umziehen und dabei hatte ich dann Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden. Es gab halt weniger Angebote wegen Corona. Dazu kam, dass die Koreaner, die zurückkamen, ja nicht direkt zu ihren Familien durften. Sie mussten zuerst zwei Wochen in Quarantäne. Die haben dann auch Airbnbs gebucht, deswegen war alles schnell belegt. 

-Es gab bestimmt viele Flugumbuchungen zu diesem Zeitpunkt. War es denn schwierig für dich einen neuen Flug zu bekommen?

Als mein Flug gecancelt wurde, wurde mir ziemlich schnell eine Mail geschrieben, in der ich die Möglichkeit hatte, auf eine Warteliste zu kommen, oder einen Gutschein zu bekommen. Da ich noch im Praktikum war, wollte ich lieber selbst den Flugzeitpunkt entscheiden und habe mich für den Gutschein entschieden. Mehrere Wochen gab es dann ein ewiges Hin und Her mit der Fluggesellschaft, da sie mir nicht wie gesagt, den Gutschein nach 14 Tagen geschickt haben. Deshalb musste ich dann auch das Emergency-Visum beantragen.

Auf anraten eines Kollegen habe ich der Fluggesellschaft nochmal eine Nachricht geschrieben, in der ich erklärt hatte, dass ich mit meinen Problemen über ihre Facebookseite öffentlich gehen werde. Nur drei Minuten später habe ich eine Antwort bekommen. Man hat sich entschuldigt und mich gefragt, an welchem Tag ich den gerne fliegen wollen würde. Ich war sehr schockiert. Die Fluggesellschaft hat dann alles für mich gebucht und geregelt und ich konnte schon 2 Wochen später, kurz vor Ablauf meines Visums zurück.

Danke für das Interview Ida!